Freitag, 20. Juni 2014

Mach´s gut, alter Freund

Was gibt´s denn Neues von Ecki Franz?

von Torsten Oelsner
Lieber Eckehard,
Als ich am späten Donnerstagabend die Nachricht von Reinhard Heinrich bekam, dass Du gestorben bist, war ich zunächst mal nur überrascht, die Trauer kam später. Was? Der Eckehard? Gestorben? Wie kann das sein? Du warst von uns beiden immer der sportlichere, obwohl Du mir vierzig Jahre voraus hast. Hattest, muss ich jetzt schreiben, obwohl das schwerfällt. Was warst Du immer unterwegs: Wandern in Österreich, in der Sächsischen Schweiz. Mit dem Fahrrad und dann noch der Garten. Gelesen hast Du jede Menge, warst vernetzt mit Gott und der Welt. Hattest ständig Termine und Pläne.

Jetzt rufst Du ihn gleich mal an

Erst neulich habe ich Dir noch gratuliert am Tag nach der Kommunalwahl. Ich gebe zu, ich habe geschmunzelt als ich die Einzelwahlergebnisse sah. Ein 83-Jähriger, die Hoffnung seiner Partei und gleichzeitig beliebtester Coswiger. Solche Schlagzeilen gingen mir durch den Kopf. Jetzt rufst Du ihn gleich mal an, entschied ich. Ich bin froh, das getan zu haben. Du warst mit Abstand der Gewinner dieser Wahl. "Ecki for President" hatte ich daraufhin spontan bei Facebook geschrieben und eine kleine Wahlanalyse dazugestellt. Eckehard, verzeih mir, aber Deine Fraktion sieht jetzt ohne Dich ziemlich alt aus. Und im Stadtrat wird ganz eindeutig eine markante Stimme fehlen. 

"Schaff Dich"

Wir beiden kannten uns nun seit über zehn Jahren. Auf Deine Anrufe und Kommentare konnte ich immer zählen, auch wenn sie oft zur unpassenden Zeit kamen. Das Rathaus war ja auch nicht vor Deinen Besuchen sicher, wie mir aus verschiedenen Quellen berichtet wurde. Auch wenn Dir manches nicht passte, was ich so schrieb, besonders, wenn es um "die Partei" ging, bliebst Du immer fair. "Schaff Dich", waren stets Deine Worte zum Abschied, wenn Du mir mal wieder einen Tipp gegeben hattest, in welcher Sache sich ein Nachhaken lohnen würde. Trotz Deines Alters warst Du nie dogmatisch und geistig reger als so mancher, der um Jahrzehnte jünger ist. Du hast nie ideologisch diskutiert, sondern immer mit Argumenten. Und man konnte sich herrlich streiten mit Dir. Wenn ich an der DDR mal wieder kein gutes Haar ließ, gabst Du Paroli. Über Stasi, Grenze und alte Rote Socken waren wir uns einig. Aber über alles andere haben wir leidenschaftlich diskutiert. Du hattest eben eine andere Erfahrung mit dem Land und seiner führenden Partei, das Dich geprägt hat.

Nicht diskutiert, sondern zur Schaufel gegriffen


"Bau auf ..."/Fotos: privat
Dieses Land gab Dir die Chance als eines von fünf Kindern, deren Eltern nicht zur plötzlich hervorgehobenen Arbeiterklasse gehörten. Dein Vater, ein Arzt, hatte die Vertreibung aus Schlesien nicht verkraftet, starb, so wie Du jetzt, an einem plötzlichen Herzversagen. Nun standet ihr da. Fünf Jungs, allein mit der Mutter. Du warst der Älteste. Ihr habt gehungert, Kartoffeln geklaut und nicht gewusst, wie es weitergehen soll. Du bist nach dem Hinweis eines Funktionärs in die Landwirtschaft gegangen. Hast Dich dort vom Landwirtschaftsgehilfen, wie das hieß, hochgearbeitet. Während andere abends Karten spielten oder ausgingen, hast Du gelesen.

Dein Weg führte Dich über den „richtigen“ Landwirt an die LPG-Hochschule Meißen, die Kreislandwirtschaftsschule Dresden bis zum habilitierten Doktor an der TU Dresden. Den „Doktor“ hast Du nie raushängen lassen, so wie andere, die so tun, als wären Sie mit dem Titel auf die Welt gekommen. Wenn angepackt werden musste, hast Du nicht diskutiert, sondern zur Schaufel gegriffen. Wie damals in Espenhain, als in der Kohle wieder mal Not am Mann war und die Studenten ran mussten. An Deiner Partei, in die Du wegen Deines Gerechtigkeitssinnes eingetreten bist, bist Du in all den Jahren fast verzweifelt. Drei Parteiverfahren säumten Deinen Weg. Das muss man auch erstmal schaffen. Nur wer die Zeit als Insasse der DDR erlebt hat, kann nachfühlen wie so ein Parteiverfahren war. Da ging es ans Eingemachte. Und Freunde hatte man plötzlich auch nicht mehr viele. Vor einer solchen Verhandlung hast Du extra eine Faustan genommen, damit Du Dich nicht so aufregst, hast Du mir mal erzählt und wir haben herzlich gelacht. Hätte es mehr von Deiner Sorte in dieser Partei gegeben, wäre es vielleicht etwas geworden mit dem demokratischen Sozialismus. Aber den Ton gaben andere an und wohin das führte, war 1989 zu besichtigen, als die Wahrheit sich nicht mehr länger hinter Parolen und Bannern verstecken ließ. Aus der SED bist Du dann 1989 ausgetreten.
Doch während andere nach der Wende ihr Fähnlein flugs nach dem Wind hängten, bliebst Du der Nachfolgepartei treu. Wenn auch jetzt als Parteiloser. Dem Coswiger Stadtrat gehörtest Du ohne Pause bis heute an. Zuletzt als Fraktionsvorsitzender. „Wir entscheiden, was das Beste für die Stadt ist, da spielt die Partei sowieso keine Rolle“, waren Deine Worte. Und der Slogan "Pro Coswig" war bei Dir keine hohle Phrase.

Es ging um Parkplätze

Unvergessen und auf ewig mit Deinem Namen verbunden bleiben wird jedoch der Streit mit der Wohnungsgenossenschaft. Deiner Genossenschaft, für die Du in den Siebzigern Hunderte Stunden geschippt und gebuddelt hat, nur damit Ihr eine Wohnung bekommt. Du, Deine Frau und die beiden Kinder. 
Der Anlass für den Streit war wie immer banal. Ich muss schon überlegen wie es war. Es ging um Parkplätze, die umgestaltet werden sollten. Und die Arbeiten wurden begonnen, obwohl der Stadtrat noch kein grünes Licht gegeben hatte. Diese willkürliche Arroganz konntest Du nicht durchgehen lassen. Auch nicht Deiner Genossenschaft. Dass die dann sogar mit Rauschmiss aus der Wohnung kontert, hätte niemand gedacht. Aber da gab es schon kein Zurück mehr. Und Du hättest auch keinen Rückzieher gemacht , wenn Du es gewusst hättest, wie ich Dich kenne. Das Ringen, der abgedroschene Vergleich vom David gegen Goliath sei hier verziehen, nahm seinen Lauf. Und mal ehrlich. Ein bisschen Spaß hat es doch auch gemacht, oder? Was haben wir oft gelacht. Und, ich will es ehrlich bekennen, Du hast mir manche Spalte in der Zeitung beschert, die sich wie von selbst füllte. Und das wurde gelesen, wie mir von vielen Seiten bestätigt wurde. Selbst beim Feierabendbier an der Elbe wurde oft gefragt: Was gibt´s denn Neues von Ecki Franz? Es gab meistens was.
Der Ritterschlag war schließlich die Einladung in Dein Refugium an der Elbe in Meißen. Es blieb nicht bei dem einen Mal. Einmal ließt Du mich nicht ohne drei Kisten Äpfel wieder weg. Oder hin und wieder das Bierchen nach dem Stadtrat, wenn wir nach der Sitzung noch ein bißchen in der Börse klönten. Das wird nun nie wieder so sein.

Einfach "a Mensch"

Die Juden haben einen ganz einfachen Terminus, wenn sie zum Ausdruck bringen wollen, welchen Charakter jemand hat. Mit den Worten, er war einfach "a Mensch" ist alles gesagt. Und Du warst so "a Mensch".
Du wirst mir fehlen.Mach´s gut, alter Freund.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ihre Meinung interessiert uns - und sicherlich auch andere Leser. Aber schreiben Sie mit Überlegung! Sie können nach dem Absenden nichts mehr ändern.

Buddie ist schon wieder abgängig